Dudleys Diaries Kapitel 3 – Das Treffen

Dudleys Diaries

Am nächsten Morgen betrat ich die Küche und wusste sofort, dass Harry weg war. An den Tagen, nachdem mein Cousin ohne Vorwarnung zu seinen Freunden verschwand, war die Stimmung immer am Tiefpunkt angekommen und mein Dad sehr gereizt, während meine Mum nervös die Küche putzte.

Ich verstand die Reaktion meiner Eltern nicht. Auf der einen Seite hatten sie Harry das Leben zur Hölle gemacht, beschämt musste ich mir eingestehen, dass auch ich ihn gequält und getrietzt hatte, wann immer sich mir die Möglichkeit bot. Andererseits platzten sie vor Wut, wenn er zu seinen Freunden fuhr.

Ich setzte mich, über Harrys überstürzten Abgang mehr als nur enttäucht, an den reich gedeckten Frühstückstisch. Mein Vater verschwand hinter der Tageszeitung und meine Mutter stellte den Teller mit Speck und Toast auf meinen Platz, bevor sie sich selbst auf ihrem Stuhl niederließ und an ihrer Teetasse nippte. “Ist Harry schon weg?” fragte ich mit vollem Mund meine Mutter, was zur Folge hatte, das diese vor Schreck erbleichte, ihre Teetasse klirrend auf den Unterteller stellte und mein Dad eine alamierend rote Gesichtsfarbe bekam, während er die Zeitung aprubt sinken ließ. Seine Ader an der Schläfe pochte besorgniserregend bei der Erwähnung von Harrys Namen. “Was kümmert dich das?! blaffte mein Vater schnaufend und verschanzte sich erneut hinter der Zeitung, die er raschelnd wieder aufnahm. Meine Mutter wuselte in die Küche und begann erneut die Herdplatte zu putzen, obwohl diese so blank war, dass ich mich darin hätte spiegeln können.

Zum ersten Mal begann ich über meine Familie nachzudenken. Viele Worte gab es bei uns nicht, das war noch nie so gewesen. Bei meinem besten Freund Pierce Polkins ging es immer laut und fröhlich zu, während in unserem Haus die Stille einer Kathedrale vorherrschte. Oberste Regel war und blieb “Stell keine Fragen!” direkt gefolgt von “Mach nichts schmutzig”. Nachdenklich kaute ich auf dem kross gebratenen Speck herum. Ich hatte keine Zweifel daran, dass meine Eltern mich liebten, auf ihre ganz spezielle Art und Weise. Doch meine Familie war anders als die anderen und ich konnte nicht erkennen, dass nur Harrys Geheimnis ein Zauberer zu sein daran schuld war. 

Ich begann Harry zu verstehen, dass er so schnell wie möglich die Flucht ergriff und den Ligusterweg ohne großes Bedauern verließ, sobald er die Möglichkeit dazu bekam. Ich fragte mich nur, warum er immer wieder hierhin zurückkehrte. Das Mysterium um meinen Cousin faszinierte mich immer mehr und ich beschloss seinem Zimmer einen Besuch abzustatten, wenn sich die Möglichkeit dazu bot.

Diese kam schneller als gedacht. Mein Dad wurde in seine Firma, Grunnings, beordert, dort gab es ein Problem, was seine Anwesenheit erforderte. Meine Mum ergriff die Möglichkeit, sich von Dad zum Friseur chauffieren zu lassen. Natürlich nicht ohne unzählige Male nachzufreagen, ob ich denn allein zurecht käme. Ich fragte mich wirklich, ob alle Eltern so anstrengend wie meine waren. Kaum war die Haustür hinter den beiden ins Schloss gefallen, nahm ich immer zwei Stufen der engen Treppe, die ins Obergeschoss führte. Mit heftig klopfendem Herzen öffnete ich die Tür zu Harrys Reich und blieb einige Minuten reglos in der Tür stehen. Seltsam wie klein mein ehemaliges Spielzimmer wirkte. Es passten gerade mal ein schmales Bett mit Nachtschrank, ein Kleiderschrank und ein winziger Schreibtisch hinein. Ich öffnete die angelehnte Tür von Harrys Schrank und stöberte darin herum. Viel fand ich darin nicht. Schwarze Umhänge, die schief auf den Kleiderbügeln hingen und Harry viel zu klein sein mussten, ausrangierte Federkiele, zerbrochene Tintenfässer, deren Scherben auf einem auf dem Schrankboden liegenden dunklen Tuch wie Diamanten funkelten. Ein Stück Pergament ragte darunter hervor und ich stürzte mich gierig auf meinen Fund.

Doch ich wurde enttäuscht, es war lediglich ein leeres Stück Papier auf dem nichts stand. Trotz oder gerade wegen der kaum vorhandenen Hinweise auf Harrys magischer Begabung fand ich manches heraus. Der Federkiel und das zerbrochene Tintenfass zum Beispiel zeigten mir, dass die Zaubererschaft recht rückständig war. Computer usw. schienen sie nicht zu interessieren. Auch moderne Hefte wurden wohl nicht genutzt, wie das Stück Pergament in meiner Hand zeigte.

Plötzlich bemerkte ich einen Windstoß, der mir durchs Haar fuhr und ich drehte mich erschrocken um. Ich stolperte panisch zurück, als vor mir wie aus dem Nichts ein Mann mit schütterem rotblondem Haar auftauchte. Ich konnte es mir nicht recht erklären, aber er strahlte etwas animalisches aus und mir stellten sich die Nackenhaare auf.
Ich wusste sofort, dass er zur magischen Gemeinschaft gehörte, woher konnte ich nicht sagen. “Falls du Harry Potter suchst, er ist nicht hier und ich weiß auch nicht wo er ist!” Meine Stimme klang nicht halb so fest und mutig wie ich es mir wünschte, doch zumindest konnte ich ein ängstliches Zittern unterdrücken.

“Wir wissen wo sich Harry befindet, Junge! Es geht ihm gut!” Ich entspannte mich, hier stand einer der guten Zauberer vor mir, das spürte ich instinktiv. Ich hatte mir Albus Dumbledore zwar etwas anders vorgestellt und war etwas enttäuscht, als ich mein Gegenüber musterte. Der obligatorische Zaubererumhang war staubig, abgetragen und an manchen Stellen ausgebessert. Die Hose, die der Mann trug, war verwaschen und beulte sich an den Knien aus und auch das Hemd hatte mit Sicherheit schon bessere Tage gesehen. Das Kinn wurde von Bartstoppeln verdeckt und die Haare fielen um ein ausgemerkeltes und bleiches Gesicht. Ich fand meine Stimme wieder. “Vielen Dank, Mr. Dumbledore, dass Sie Zeit finden mit mir zu sprechen….” Der Mann lachte leise. “Ich bin nicht der, für den du mich hälst. Ich heiße Remus Lupin und Dumbledore hat mich zu dir geschickt, damit du dich nicht mit deiner Schnüffellei in weitere Schwierigkeiten bringst.” “Oh” erwiderte ich nicht sehr geistreich. Lupin schien meine Niedergeschlagenheit zu spüren und setzte sich lässig auf den Schreibtischstuhl von Harry, während er mir bedeutete auf dem Bett Platz zu nehmen. Ich folgte der Anweisung zögerlich.
“Es ist nicht so, dass Dumbledore nicht herkommen wollte, doch er ist gerade an anderer Stelle unabkömmlich, so dass ich seiner Statt hier bin!” Gegen meinen Willen beruhigte ich mich durch die leise und bedächtige Art von Remus Lupin und ich konnte nicht umhin ihm zu vertrauen.

“Ich möchte Harry helfen! Ich stehe tief in seiner Schuld. Was kann ich tun?” Remus Lupin schwieg lange und musterte mich dabei nachdenklich.
“Dudley Dursley! In dir steckt mehr als wir jemals vermutet haben, du überrascht mich!” murmelte der Zauberer schließlich leise und verstummte. Schließlich straffte er seine Schultern und schien zu einer Entscheidung gelangt zu sein.
“Was ich dir in diesem Zimmer erzähle muss unter uns bleiben! Du musst es schwören! Wenn du den Schwur brichst, werde ich das spüren und die Folgen werden für dich sehr unangenehm sein, denn vergiss nicht, ich bin ein Zauberer!”

Ich nickte beklommen. Mein Herz pochte wild in meiner Brust. Nach so vielen Jahren, war ich der Wahrheit über Harry nun so nahe. Doch was ich in den nächsten Minuten zu hören bekam schnürte mir wahrlich die Kehle zu und Angst kroch mir in jede Faser meines Körpers. Harry steckte nicht nur in der Tinte, er badete förmlich darin. Gleichzeitig breitete sich die Scham heiß in mir aus und versenkte mich beinahe. Ich hatte einen verdammten Helden als Cousin und nie wurde er in diesem Haus entsprechend behandelt. Das genaue Gegenteil war der Fall gewesen. Was war ich nur für ein Mensch? Ich riss mich zusammen und lauschte Remus Lupins abschließenden Worten: “Du siehst, Harry wird weiterhin in den Sommerferien hierher zurückkehren, doch der Tag wird kommen, spätestens an seinem 17. Geburtstag, da er in unserer Welt ab diesem Tag als Erwachsen gilt, wo ihr die Wahl treffen müsst: Hier zu bleiben und unter großen Schmerzen zu sterben und Harry zu verraten, oder euch für längere Zeit einen sicheren Zufluchtsort zu suchen. Alle Zeichen deuten auf diesen Verlauf hin! Es ist von großer Wichtigkeit, dass du deine Eltern von letzterem überzeugen kannst. Nicht nur euer Leben, sondern das von Tausenden von Muggeln und Zauberern hängt davon ab, dass Harry bis zu seinem Geburtstag hier Zuflucht findet. Auch eure Unversehrtheit nach diesem Bündnis ist entscheidend. Harry würde sich niemals verzeihen wenn euch etwas zustieße!” Ich nickte benommen und streckte ihm die Hand hin. “Sie können sich auf mich verlassen Mr. Lupin! Ich werde meine Eltern davon überzeugen, dieses Haus für den Zeitraum von Harrys Kampf für das Gute zu verlassen!” Lupin schlug ein und eine kraftvolle Hitze schoss von seiner in meine Hand und leuchtete Sekundenlang purpur auf, bevor das Licht erlosch. Ich hatte ein Bündnis mit einem Zauberer geschlossen, ohne das meine Eltern davon wussten. Nun hing unser Leben davon ab, dass ich dieses Versprechen hielt.

Lupin verschwand so schnell und geheimnisvoll wie er gekommen war. Ich blinzelte nur einen Moment lang und weg war er. Zu gerne hätte ich gewusst, wie er das anstellte, aber wie mir in unserem Gespräch bewusst geworden war, wollte ich gar nicht mehr alle Geheimnisse der Zaubererwelt wissen, der Glanz war verblasst, denn Zauberer zu sein bedeutete anscheinend auch, ständig in Gefahr zu schweben.

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