„Du musst ja so aufgeregt sein! Ich meine Carl ist so eine Wahnsinns Partie, jede Frau träumt von solch einem Mann“ seufzte Melanie sehnsuchtsvoll und trank ein Schluck aus ihrem Champagnerglas, in dem das Sprudelwasser der Reichen und Schönen perlte und vor Kälte das Glas beschlagen ließ.
Anna lächelte unbestimmt und nickte leicht, was Melanie als Zustimmung reichte weiter zu sprechen und fuchtelte mit ihrem Glas vor Annas Nase herum. „Du bist ab sofort eine von uns, genauer gesagt ab Morgen Mittag, sobald du das „Ja-Wort“ in der Kirche hinter dich gebracht hast – Dann bist du „Mrs. Carl Freischild“ kicherte die sturzbetrunkene Melanie und bekleckerte ihr sündhaft teures Kleid von Yves Saint Laurent. „Komm schon Mel, du hast genug“ schnitt Jennifer Barnetta der hochgewachsenen Blondine das Wort ab, entschuldigte sich leise bei Anna und begleitete Melanie wahrscheinlich in den Waschraum des Sternehotels, in dem ihr Jungesellinnenabschied stattfand.
Melanie hatte es auf den Punkt gebracht. Anna gehörte nicht DAZU. Sie war eine Außenseiterin und fühlte sich auch so.
Der Saal war voll von Champagnernippenden jungen Frauen der ansässigen oberen Zehntausend, die sich in kleinen Grüppchen leise unterhielten. Hier und da klirrten Gläser, ein perlendes Lachen hallte durch das Summen der Unterhaltungen und Edelsteine glitzerten im Licht des Kronleuchters. Anna flanierte von Gruppe zu Gruppe, unterhielt sich, betrieb Small Talk und wünschte sich nichts anderes als eine Couch, ihre Jogginghose und Tonnen von Chips und Nachos. Das hätte mehr zu ihr gepasst, als das aufgesetzte Lächeln, dass ihr seit Stunden im Gesicht zu kleben schien und die in die Luft gehauchten Küsschen bei der Begrüßung ihrer Gäste.
– Was mache ich hier eigentlich? –
dachte sie bei sich und fühlte sich höchst unwohl in ihrem taubengrauen Kleid, das ihr bis in die Mitte der Oberschenkel reichte und denselben Farbton hatte wie ihre Augen.
Leise seufzend steuerte sie die nächste Gruppe von blasierten, snobistischen Frauen an, denn sie heiratete nicht irgendwen, sondern DEN Junggesellen schlechthin, weshalb sich seine Familie nur mit dem Besten zufrieden gab, auch wenn es sich um ihren Abschied vom Singledasein handelte. Während sich die Damen der Gesellschaft über eine gewisse Pauline lustig machten „Hast du gesehen wie ihre Brüste vorstehen? Also wenn die nicht operiert sind…“ nickte Anna gelegentlich, hielt sich an ihrem Glas Mineralwasser fest, bohrende Kopfschmerzen verboten ihr das Blubberwasser, das von livrierten Kellnern auf silbernen Tabletts angeboten wurde, auch wenn sie dringend einen Trink benötigt hätte. Neben den Kopfschmerzen brachten ihre Füße, die in mörderischen High-Heels steckten, sie beinahe um und sie fühlte sich unter diesen durchgestylten und von diesem Glamour umgegebenen Frauen der Gesellschaft äußerst fehl am Platz.
Zum hundertsten Mal fragte sie sich warum sie den Heiratsantrag von Carl angenommen hatte. Es stimmte, jeder hielt sie für das perfekte Traumpaar, wenn man den Standesunterschied außer Acht ließ, aber in letzter Zeit hatte sie mehr und mehr das Gefühl gehabt sie entfernten sich voneinander. Sie stritten sich häufig, besonders Mick, Annas ältester und bester Freund, war steter Anlass zu heftigen Auseinandersetzungen die ein einziges Mal in einer Handgreiflichkeit von Carls Seite aus geendet hatten. Das Ende vom Lied war eine geprellte Rippe gewesen und Kontaktverbot zu Mick, mit dem sie sich von da an nur noch heimlich traf.
Schließlich wollte Anna einen Schlusstrich ziehen und Carl war mit einem Heiratsantrag um die Ecke gekommen. Versonnen dachte sie daran wie sie, fest Entschlossen ihre Sachen zu packen und aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen, die Wohnungstür geöffnet hatte und plötzlich in einem Meer aus roten Rosen und leuchtenden Kerzen förmlich versunken war. Ganz klassisch hatte Carl einen Kniefall zelebriert, eine Rose in der einen, die Schachtel mit dem kostbaren Verlobungsring in der anderen, und hatte die Frage aller Fragen gestellt. Anna war so überwältigt und überrumpelt gewesen, dass ihr ohne zu überlegen das „Ja ich will“ über die Lippen gerutscht war. Der geplante Auszug und der Ausrutscher von Carl waren vergessen.
Im Hause Freischild hatte es einen riesen Krach und Aufstand gegeben, sogar mit der Enterbung wurde gedroht, doch Carl wollte sie, Anna, zur Frau und setzte sich schlussendlich durch. Anna fühlte sich geschmeichelt, dass Carl sich fest hinter sie stellte, sie so sehr wollte und verdrängte ihre Zweifel, die sich langsam aber sicher meldeten! Als Carls Eltern sich damit abfanden Anna als Schwiegertochter zu bekommen, begrüßten Sie sie Schmallippig und zurückhaltend in der Familie bei einem pompösen Abendessen und begannen eifrig mit der Planung der Hochzeit ihres einzigen Sohnes. Anna wurde in die Vorbereitungen nicht mit einbezogen, schließlich zahlten die Freischilds also bestimmten sie auch und nun stand sie hier, totunglücklich wo sie doch vor Freude hätte strahlen müssen.
Mit jedem Tag der verstrich und die Hochzeit immer näher rückte, zog sich ihr Magen immer öfter heftig vor Angst zusammen. Mit Mick konnte sie nicht darüber sprechen, als er von dem Antrag hörte und das sie ihn angenommen hatte, hatte er nur mit dem Kopf geschüttelt „Dir ist nicht mehr zu helfen Anna!“ daraufhin hatten sie eine heftige Diskussion, die damit geendet hatte, das Mick aus ihrer Stammkneipe mit den Worten „Renn in dein Unglück, aber ich werde nicht dabei zusehen“ gestürmt war. Sie vermisste Mick, er brachte sie immer zum Lachen und er hätte seine helle Freude an dieser Versammlung der illustren Gesellschaft gehabt.
Aber er war nicht hier und so spielte sie die ihr zugedachte Rolle und sehnte sich nach der Ruhe ihres Heims
[…] vielmehr vom Schreibstil her. Ich bin damals auf den Hype aufgesprungen, habe mir tatsächlich alle drei Bände “angetan” und…