Dudleys Diaries Kapitel 4 – Harry’s Rückkehr

Dudleys Diaries

Das nächste Schuljahr raste nur so an mir vorbei. Oft fragte ich mich, wenn ich von meinem Schreibtisch aus dem Fenster in die Dämmerung starrte, wie es Harry gerade erging. Wie Hogwarts wohl aussah? Wie wurde Zauberrei gelehrt? Ich hörte im Ligusterweg keinerlei Neuigkeiten darüber, was in der Zaubererwelt geschah, auch Mrs. Fick schien wie vom Erdboden verschluckt, wann immer ich nach ihr Ausschau hielt. Ich vertrieb mir die Zeit mit meinem besten Freund Pierce Polkins im Boxclub und wenn ich zu Hause war, lernte ich für die bevorstehendenen Prüfungen. Ich war im aktuellen Schuljahr auf Smeltings zu einem der besten Schüler aufgestiegen. Mein Dad platzte schier vor Stolz und meine Mum gab bei sich jeder bietetenden Gelegenheit mit mir an, auch wenn die beiden über meinen Sinneswandel mehr als nur ein wenig verwirrt waren. Woher ich das weiß?
Ich wollte mir Abends noch einen Snack aus dem Kühlschrank genehmigen, den meine Mum wohlwissend immer für mich bereit stellte. Sie kannte meine Vorliebe, nach dem Training Abends noch etwas zu essen und ließ es sich nicht nehmen, mir diverse Leckereien vorzubereiten.
Die Abendnachrichten waren schon vorbei und der Film des Abends begann gerade, als meine Mum auf mich zu sprechen kam. “Vernon, seit Dudley von diesen Kreaturen überfallen wurde…” Mein Dad knurrte schlecht gelaunt vor sich hin und murmelte etwas, das verdächtig nach “Sippschaft” klang. Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie seine Ader an der Schläfe zu pochen begann und sich sein Gesicht purpurot färbte. “..Dudders hat sich seitdem sehr verändert! Er vergräbt sich lieber in seinen Büchern, als dass er wie ein normaler Junge draußen auf den Straßen herumstreunt! Vernon! Was ist, wenn er ein Stubenhocker wird? Wegen dieser Sache?!”
Ich rollte mit den Augen und unterdrückte ein Seufzen. Meine Eltern würden mich wohl nie verstehen. Ich lernte einfach GERN. Mathematik machte mir Spaß und seitdem ich herausgefunden hatte, wie die Gleichungen zu knacken waren, umso mehr. Warum konnten meine Eltern mich nie akzeptieren wie ich war? – Weil sie Probleme mit allem hatten, was von der Norm abwich! – Gab ich mir selbst die Antwort. Mir war der Appetit vergangen und ich schlich zurück in mein Zimmer. Ich wollte nicht noch mehr von den verqueren Annahmen meiner Eltern mitanhören müssen.

Einige Tage später, fuhren wir zum Bahnhof Kings Cross in London. Ich wusste, dass mein Dad Harry nur unter Protest von dort abholte, sich aber nicht traute dies zu unterlassen. Mit Zauberern legte man sich nun mal besser nicht an, das hatte ich schon am eigenen Leib erfahren – mehrmals.
Mein Dad warf jedem, der nur im entferntesten auch nur nach einem Mitglied der magischen Gemeinschaft aussah, einen furchtbar grimmigen Blick zu. Ich hielt mich im Hintergrund und beobachtete interessiert die Zauberlehrlinge, wie ich sie heimlich nannte. Sie fielen auf mit ihren Eulen und anderem Getier in der Hand, sodass ich mich fragte, wie die anderen “Muggel” das Magische nicht wahrnehmen konnten.
Schließlich kam Harry mit einem ganzen Gefolge von so offensichtlichen Zauberern auf uns zu, dass ich einige Schritte zurückstolperte. Ich erkannte Professor Lupin und beruhigte mich etwas.
Eine mollige Frau stürzte voran und umarmte stürmisch ein Mädchen und einen Jungen, die mit Sicherheit ihre Kinder waren. Die roten Haare waren anscheinend unverkennbar ein Markenzeichen der Familie.

Meine Aufmerksamkeit richtete sich auf eine junge Frau mit knallpinken Haaren und ich sah, dass meine Mum schockiert die Augen schloß. Das hier musste die absolute Hölle für meine Eltern sein. Sie wurden mit allem was sie aus ihrem Leben verbannten und verabscheuten in geballter Form konfrontiert. 
Ein furcheinflößend aussehender Mann trat so nah an meinen Dad heran, dass dieser zurückwich und mit einem Gepäckwagen zusammenstieß.
Weshalb auch immer, ich schämte mich in diesem Moment sehr für meine Eltern. Meine Mum keuchte erschrocken auf, als der Zauberer, der sich schwer auf einen Stock stützte und seine Mütze schräg über dem Gesicht trug, kundtat, dass sie vorbei kämen, sollten sie keine Nachricht von Harry erhalten. Insgeheim freute ich mich über diese Ansage gegenüber meinen Eltern. Ich wusste mittlerweile, dass wir uns in der Vergangenheit Harry gegenüber abscheulich verhalten hatten und ich hoffte, dass ich die Chance bekommen würde, dieses Unrecht wieder gut zu machen.
Harry sah schrecklich blass aus, als wir uns in Dads Auto auf die Rückbank quetschten. Auch mein Cousin war über das Jahr wieder einige Zentimeter in die Höhe geschossen. Irgend etwas schien in der Zaubererwelt geschehen zu sein, da war ich mir sicher. Noch nie war Harry in solch einem schlechten Zustand in den Ligusterweg zurück gekehrt. Nicht mal als ein Junge namens Cedric gestorben war und das war schon heftig gewesen. Ich erinnerte mich noch gut an die Schreie, die Nachts durchs Haus gehallt waren, wenn Harry davon träumte.

Sobald wir zu Hause ankamen flüchtete Harry in sein Zimmer, samt Eule und Koffer. Mum und Dad ließen ihn gewähren, was mit Sicherheit den anderen Zauberern und ihrer eindringlichen Rede zu verdanken war. An diesem Abend herrschte eine Anspannung beim Abendessen, die beinahe greifbar war.

In dieser Nacht schlich ich zur Schlafzimmertür von Harrys Zimmer, ich wollte mit ihm sprechen. Den Weg hätte ich mir sparen können. Gequälte Schreie und herzzerreißende Schluchzer erfüllten die Stille des Hauses und ich zog mich in mein Zimmer zurück, als ich hörte wie im Zimmer meiner Eltern das Schnarchen meines Dads aussetzte. Wer zur Hölle war Sirius? Der Name kam mir vage bekannt vor. Harry schrie verzweifelt immer wieder diesen Namen und ich war versucht mir die Ohren zuzuhalten.
Ich hörte, wie sich eine Tür öffnete und leise schloss. Auf Zehenspitzen schlich ich zu meiner eigenen und drückte in Zeitlupe die Klinke hinab und öffnete die Tür einen winzigen Spalt und harrte einige Minuten an Ort und Stelle aus. Ich konnte nicht verhindern, dass mein Kinn hinabfiel, als ich sah, wie meine Mum verstohlen aus Harrys Zimmer huschte. Erst jetzt fiel mir auf, dass es im Haus wieder still geworden war.

So verliefen die nächsten Tage und Nächte, bis jenen Freitagabend, als ich endlich und wahrhaftig Albus Dumbledore kennenlernte. Es war schon spät am Abend, für die Verhältnisse meiner Eltern, als es an unserer Haustür läutete. Ich dachte es sei Pierce, und stürmte die Treppe hinab, stieß dabei beinahe mit Harry zusammen, doch mein Dad war schneller und nahm den Schulleiter von Hogwarts in Empfang. Eine merkwürdige Spannung verbreitete sich im Haus und ich konnte nur mit offenem Mund die hochgewachsene Gestalt anstarren. Eine Aura der Macht umgab den dürren Mann mit dem Meterlangen, weißen Bart. Die Magie schien förmlich knisternd aus Albus Dumbledore herauszuschießen. Er war so offensichtlich ein mächtiger Magier, dass es mir die Sprache verschlug.
Der Zauberer sagte einige Dinge zu meinen Eltern, die hart aber wahr waren. Als sich das einseitige Gespräch mir zuwandte und Dumbledore meinen Eltern vorwarf auch mich aufs sträflichste vernachlässigt zu haben, starrte ich verwirrt in die gütigen blauen Augen hinter der Halbmondbrille.
Ich hatte doch alles was ich wollte?! Was wusste dieser alte Mann schon. Ich wollte wütend herumfahren und in mein Zimmer verschwinden, doch der Blick aus den hellen Augen hielt mich an Ort und Stelle fest. Meine Wut verrauchte und ich begann nachzudenken. Ja, es stimmte, aus materieller Sicht gab es nie einen Mangel. Zumindest konnte ich mich nicht daran erinnern. Aber Zuneigung? Gar Liebe? Dumbeldore nickte mir unmerklich zu und ich bekam das unangenehme Gefühl, dass er meine Gedanken lesen konnte. In der nächsten Sekunde wandte er sich ab und Harry folgte ihm. Erneut verschwand mein Cousin in die Welt der Zauberer.
Dads Schnurrbart erzitterte unter seinem heftig ausgestoßenen Atem, die Gesichtsfarbe wechselte mehrmals von Dunkelviolett zu Rot und Weiß, doch die Ader pochte unvermindert an der Schläfe weiter. Meine Mum starrte noch immer peinlich berührt in Richtung der Haustür, durch die Harry und der Professor verschwunden waren. Ihre sonst eher blasse Gesichtsfarbe wies eine Schamesröte auf, die ich noch nie erlebt hatte.
Ich verkrümelte mich ins Obergeschoss und plötzlich fiel mir ein, dass über Sirus Black vor einigen Jahren in den Nachrichten als flüchtiger und höchstgefährlicher Serienmöder berichtet worden war. Im Sommer darauf kam Harry nach Hause und berichtete, dass eben jener Sirus Black sein Patenonkel sei.
Ein Jahr später starb dieser Cedric. Es schien, als hätte Harry auch seinen Paten verloren. Ohne nachzudenken öffnete ich die Tür zu Harrys Zimmer. Ich riss die Augen auf und konnte es nicht glauben, überall lagen Zeitungen herum, teilweise zusammengeknüllt oder heftig zerknittert.
Ein Gewusel auf den Seiten ließ mich erstarren. DIE BILDER BEWEGTEN SICH. Ich griff wahllos nach einigen Seiten des “Tagespropheten” und überflog die Überschriften: “Minsterium garantiert Sicherheit der Schüler” oder “Srimegour Nachfolger von Fudge” Mein Blick blieb an der Schlagzeile “Harry Potter: Der Auserwählte?” hängen. Ich las den letzten Artikel und pfiff leise durch die Zähne. Mann! Harry war in eine ganz üble Geschichte verstrickt. Noch schlimmer als ich die ganze Zeit dachte! Ich wühlte mich weiter durch die Papierberge und mir fiel ein Merkblatt in die Hand “Zum Schutz ihres Hauses und Ihrer Familie von den dunklen Kräften!” Ich las die aufgeführten Punkte und mir wurde ganz flau im Magen.
Ich musste meine Eltern unbedingt davon überzeugen, dass wir aus dem Ligusterweg verschwinden mussten, sobald Harry volljährig (für einen Zauberer) wurde. Diese Todesser waren eine ganz üble Bande und dieser Voldemort, der Name ließ mir das Blut in den Aden gefrieren, wollte Harry finden und töten.

Gerade wollte ich den Begriff Inferi auf Seite 10 der Zeitung nachschlagen, als alle magischen Dinge aus dem Zimmer verschwanden. Einzig das Merkblatt, welches ich noch immer in der Hand hielt, verblieb mir. “Du darfst nicht scheitern” erschien in eleganter Schrift auf dem Pergament, diese leuchtete nach einigen Sekunden rot auf und verschwand.
Ich war mir sicher, dass mir Dumbledore soeben eine Botschaft gesandt hatte. Aus welchem Grund auch immer, ich fühlte mich mutiger, da ich wusste, das meine Eltern und ich nicht ganz ohne Schutz vor Voldemort waren. Ich würde Albus Dumbledore nicht enttäuschen und meine Eltern überreden ihr zu Hause zu verlassen, damit sich Harry keine Sorgen um sie machen musste.
Denn so sehr Harry uns verabscheute, so wusste ich mit Gewissheit, er würde nie wollen, dass uns etwas zustieß. Schon gar nicht durch seinen Todfeind Lord Voldemort! Mein Entschluss stand fest! Wir würden im nächsten Sommer den Ligusterweg auf unbestimmte Zeit verlassen!

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